VendingSpiegel, 20.11.2023 – Es ist offiziell: Zum Anfang des Jahres 2024 wird die Mehrwertsteuer für Speisen in der Gastronomie wieder auf 19 Prozent angehoben (VendingSpiegel berichtete). Als einen „folgenschweren Fehler“ und „als Schlag ins Gesicht einer ganzen Branche“ bezeichnet Michaela Kaniber, Bayerische Staatsministerin für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Tourismus (Stmelf), diese Entscheidung der Ampelkoalition in der vergangenen Woche.
Der Beschluss richte sich gegen tausende Betriebe im Gastgewerbe sowie deren Millionen Beschäftigten, „die jetzt um ihre Existenz bangen müssen“, hebt Kaniber hervor und klagt an: „Wider besseres Wissen treibt man Betriebe in die Insolvenz und legt die Axt an unzählige Arbeits- und Ausbildungsplätzen an. Das ist wirtschaftspolitischer Irrsinn.“
Mangelnder Respekt und fehlende Wertschätzung
Ähnlich empört bezieht auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga Bundesverband) Stellung zur beschlossenen Entfristung der Mehrwertsteuersenkung. So kritisiert Dehoga-Präsident Guido Zöllick: „Statt Steuerfairness zu schaffen und Essen einheitlich mit sieben Prozent zu besteuern, werden mit der Steuererhöhung auf 19 Prozent ab 1. Januar 2024 tausende Existenzen gefährdet, der Verlust von Lebensqualität und gastronomischer Vielfalt provoziert.“ Die Entscheidung der Politik zeuge von mangelndem Respekt und fehlender Wertschätzung für die Gastronomiebranche, bekräftigt Zöllick weiter.
Preiserhöhungen unumgänglich
Der Dehoga-Präsident ist überzeugt, dass die Erhöhung der Mehrwertsteuer zu drastischen Umsatzeinbußen in der Branche führe, die „Jobverluste, Betreibsaufgaben, Insolvenzen sowie marode regionale Wirtschaftskreisläufe vorprogrammiert.“ Allein mit der sieben Prozent Mehrwertsteuer sei es den gastgewerblichen Betrieben in den vergangenen Krisenjahren gelungen, die Kostensteigerungen nicht in vollem Umfang an ihre Gäste weiterzugeben, erklärt der Präsident und betont: „Diese 19 Prozent-Entscheidung macht deutliche Preissteigerungen notwendig. Damit trifft sie Normal- und Geringverdiener besonders hart.“
Auch Michaela Kaniber zeigt sich besorgt über die zu erwartenden Folgen des Beschlusses für die Branche sowie deren Gäste mit geringem Einkommen. „Essengehen darf nicht zum Luxus werden“, fordert die Bayrische Staatsministerin und verweist auf den Aspekt der sozialen Teilhabe. So müssten Familienfeste, Stammtische oder ein Restaurantbesuch mit Freunden weiterhin bezahlbar bleiben, mahnt Kaniber. Sie sieht eine Gefahr nicht nur für Kleinbetriebe wie beispielsweise Metzger, Bäcker oder Landwirte, sondern auch für den ländlichen Raum und Innenstädte aufgrund fernbleibender Tischgäste. „Die Entscheidung der Bundesregierung ist dramatischer Beleg für eine kurzsichtige Politik“, bemängelt Michaela Kaniber.
Vertrauen in die Politik beeinträchtigt
Besonders groß sei die Enttäuschung deshalb in der Branche, da laut Dehoga die Ampelspitzen bis kurz vor Verkündigung des Beschlusses eine breite Unterstützung für den Außer-Haus-Markt signalisiert hätten. Diese Unterstützung sei laut Pressemitteilung des Verbands offenbar im Zuge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts gekippt, wodurch die Umwidmung von Corona-Kredit in den Klima- und Transformationsfonds für Klimaprojekte als verfassungswidrig erklärt wird. Infolgedessen fehlen rund 60 Milliarden Euro im Sondervermögen für Klimaausgaben.
„Dies darf nicht auf unserem Rücken ausgetragen werden“, moniert Zöllick. Staatsministerin Kaniber geht sogar einen Schritt weiter und wirft der Bundesregierung, allen voran Bundeskanzler Olaf Scholz, fehlende Verlässlichkeit vor: „Auf das Wort des Kanzlers ist in der Ampelregierung kein Verlass mehr“, sagt Kaniber und ergänzt: „Einig ist man sich der Ampel offensichtlich nur noch darin, wie man Vertrauen verspielt und der Wirtschaft weiter schadet.“
Umsatzeinbrüche befürchtet
Guido Zöllick befürchtet zudem, dass durch deutliche Umsatzeinbrüche im Gastgewerbe auch die Einnahmen durch die Mehrwertsteuer zurückgehen werden. „Betriebe, die nicht mehr existieren, können auch keine Steuern zahlen“, erklärt der Dehoga-Präsident. Auch sei es absurd, fügt Dehoga-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges hinzu, dass ab 1. Januar 2024 das Essen im Restaurant um zwölf Prozent verteuert werde, während das Essen zur Mitnahme und die Lieferung aber bei sieben Prozent bleibe.
Bis zuletzt hatte sich der Verband mit Argumenten, Appellen und vielfältigen Aktionen dafür stark gemacht, eine Steuererhöhung ab Januar 2024 abzuwenden. Zöllick betont nun: „Die Mitglieder des Bundestages haben das letzte Wort.“
jb