TUM
Zuckersteuer auf Softdrinks
In einer Simulationsstudie untersuchte ein Team der Technischen Universität München (TUM), welche gesundheitlichen sowie wirtschaftliche Konsequenzen die Einführung einer Zuckersteuer auf Softdrinks in Deutschland hätte. Berücksichtigt wurden zwei verschiedene Steuerabgabemodelle sowie kurz- und langfristige Auswirkungen.

VendingSpiegel, 06.12.2023 – In Deutschland diskutieren Ärzte, Gesundheitsexperten, Verbände und die Politik aktuell über die Einführung einer Zuckersteuer, um das Risiko für Übergewicht und Erkrankungen wie Diabetes zu senken. Während andere Länder wie beispielsweise Mexiko oder Großbritannien bereits Steuern oder Abgaben auf Softdrinks eingeführt haben, gibt es in Deutschland bislang seit 2018 lediglich eine Selbstverpflichtung der Getränkeindustrie, den Zuckergehalt in diesen Getränken zu reduzieren. Welche Auswirkungen die Einführung einer Zuckersteuer für die Bevölkerung in Deutschland hätte, untersuchte und berechnete ein Team der TUM in einer Simulationsstudie unter der Leitung von Michael Laxy, Professor für Public Health und Prävention.

Selbstverpflichtung unzureichend

Zuvor hatte Laxy bereits an einer Studie mitgewirkt, die die Konsequenzen der 2018 beschlossenen Selbstverpflichtung der Getränkeindustrie analysierte und die Anfang 2023 veröffentlicht wurde. Die Studie zeigte auf, dass die Industrie bislang weit hinter dem Ziel, den Zuckergehalt in Softdrink bis 2025 um 15 Prozent zu reduzieren, zurückbleibe (eine Zusammenfassung der Studie gibt es auf der Website der TUM).

„Durch die Studie wird deutlich, dass die aktuelle Strategie, die auf eine freiwillige Selbstverpflichtung der Industrie setzt, nicht ausreicht, um eine nennenswerte Reduktion des Zuckergehalts zu erreichen“, sagt Laxy. Er betont: „Bei dem jetzigen Tempo würde es Jahrzehnte dauern, bis die gesetzten Ziele erreicht sind.“

Zwei Steuerabgabemodelle

Innerhalb der nun veröffentlichten Simulationsstudie zur Einführung einer Zuckersteuer auf Softdrinks berücksichtigten Michael Laxy und sein Team verschiedene Steuer- und Abgabemodelle. „Dabei haben uns kurz- und längerfristige Auswirkungen gleichermaßen interessiert. Wir haben deswegen simuliert, wie sich die gängigsten internationalen Besteuerungs-Ansätze im Zeitraum von 2023 bis 2043 auswirken würden“, erklärt Wissenschaftler.

Die bestehenden Softdrink-Abgaben lassen sich dem Experten zufolge grob in zwei Gruppen aufteilen. Einerseits können Abgaben geleistet werden, die sich nach der Zuckermenge in den Softdrink-Rezepturen richten. Andererseits können Steuern unabhängig vom Zuckergehalt der Softdrinks erhoben werden. Ergebnisse aus internationalen Studien zeigten aber, dass letztere Variante vor allem zu einer verringerten Nachfrage nach Softdrinks führe, während erstere Variante zudem mit einer Änderung der Rezeptur hin zu weniger Zucker in den Softdrinks einhergehe.

Deutliche Reduktion möglich

Berechnet für die Bevölkerung in Deutschland gelangt das Expertenteam zu folgenden Ergebnissen: Bei einem pauschalen Preisaufschlag auf Softdrinks von 20 Prozent würde der Zuckerkonsum pro Tag und Person um ein Gramm sinken. Betrachtet man nur Männer zwischen 30 und 49 Jahre, wären es sogar drei Gramm.

Noch größeren Erfolg verspricht aber eine verpflichtende Änderung der Rezepturen mit einer Zuckerreduktion um 30 Prozent, wie es in Großbritannien nach Einführung einer gestaffelten Hersteller-Abgabe verzeichnet wurde: So könnte mit diesem Modell der Pro-Kopf-Konsum in Deutschland um täglich 2,3 Gramm reduziert werden. Für Männer zwischen 30 und 49 Jahren sogar um bis zu 6,1 Gramm täglich.

Auswirkungen auf die Gesundheit

„Eine Reduktion des Zuckerverbrauchs um wenige Gramm pro Person klingt nicht nach viel – rein statistisch liegt der Zuckerkonsum in Deutschland bei täglich etwa 95 Gramm pro Kopf. Die Weltgesundheitsorganisation und die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfehlen jedoch, dass maximal zehn Prozent des Energiebedarfs durch Zucker gedeckt werden soll, was in etwa 50 Gramm pro Kopf und Tag entspricht“, erläutert Michael Laxy.

Dabei müsse aber bedacht werden, dass es innerhalb der Bevölkerung große Unterschiede beim Konsum von Softdrinks gibt. So würden manche Menschen täglich größere Mengen trinke, andere dafür nie. „Entsprechend stärker wäre die Verringerung des Zuckerkonsums für die Menschen, die viel Softdrinks konsumieren“, hebt der Wissenschaftler hervor. Der gesundheitliche Nutzen werde durch die Studie jedenfalls einwandfrei bewiesen: Demnach gebe es bei beiden Besteuerungsmodellen deutlich weniger Fälle von Übergewicht, Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

„Besonders eindrücklich sind die Zahlen für Typ-2-Diabetes“, sagt Karl Emmert-Fees, Mitwirkender an der Studie und Erstautor. Er fügt hinzu: „Durch eine Besteuerung würden unseren Modellen zufolge innerhalb der nächsten 20 Jahre bis zu 244.100 Menschen später oder gar nicht an Typ-2-Diabetes erkranken.“

Wirtschaftlicher Nutzen

Die positiven Auswirkungen spiegeln sich den Experten zufolge zudem in finanziellen Einsparungen wider: So seien mit einer Abgabe auf gezuckerte Getränke weniger ärztliche Behandlungen nötig. Kosten, bedingt beispielsweise durch Krankheitstage oder Arbeitsunfähigkeit, würden ebenfalls sinken. Für den simulierten Zeitraum hat das Team bei einer gestaffelten Herstellerabgabe volkswirtschaftliche Einsparungen von rund 16 Milliarden Euro errechnet, davon etwa vier Milliarden Euro an Gesundheitskosten. Bei einer 20-prozentigen Steuer könnten insgesamt rund 9,5 Milliarden Euro eingespart werden.

Basis-Annahmen der Studie

Grundlage der Studie sind Daten zur individuellen Ernährung, zu Erkrankungen wie Diabetes, zu gesundheitlichen Risikofaktoren und offizielle Bevölkerungsstatistiken. Menschen unter 30 Jahren wurden innerhalb des Modells nicht berücksichtigt, da die meisten der modellierten Erkrankungen laut der Forscher vor allem in der zweiten Lebenshälfte aufträten. „Aus nationalen und internationalen Studien wissen wir aber, dass der Softdrink-Konsum im Teenager-Alter am höchsten ist“, sagt Karl Emmert-Fees. Er betont: „Dementsprechend wäre die durchschnittliche Reduktion des Zuckerkonsums noch drastischer und der positive gesundheitliche Effekt noch größer, wenn wir jüngere Menschen mitberücksichtigen würden.“

Zuckersteuer als Präventionsmaßnahme

„Ob eine Besteuerung von Softdrinks für Deutschland sinnvoll ist, muss die Politik entscheiden“, sagt Michael Laxy. Er resümiert: „Wir wollen mit unserer Studie sachliche Argumente für diese Debatte liefern. Unsere Studie zeigt, dass eine Abgabe beziehungsweise eine Steuer auf gezuckerte Getränke eine relevante Maßnahme zur Prävention von Übergewicht, Diabetes und Herzerkrankungen darstellt.“ Ansätze wie Informationskampagnen hätten zwar ihre Berechtigung, seien aber nicht ausreichend und könnten nur ein Baustein einer wirksamen Gesamtstrategie sein, ist der Experte überzeugt.

jb

 

Über die Studie

Die Forscher der TUM kooperierten für die Studie mit Peter Scarborough, Professor an der University of Oxford, und Chris Kypridemos, Experte für dynamische stochastische Mikrosimulationen an der University of Liverpool. Berechnet wurden die gesundheitlichen sowie finanziellen volkswirtschaftlichen Auswirkungen einer Zuckersteuer auf Softdrinks in Deutschland für den Modellierungszeitraum 2023 bis 2043. Veröffentlicht wurde die Studie im Fachmagazin „PLOS Medicine“.

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